Britisches Pfund: Absturz nach Brexit übertrieben?

Das Pfund hat mit einem Kurseinbruch auf den Brexit reagiert. Warum es das schon gewesen sein könnte.

(Stefan Gulden) So sehr lagen Englands Buchmacher lange nicht mehr daneben. Auch die Märkte hatten sich auf die Wettquoten verlassen und vor dem Donnerstag auf ein „Nein“ zum Brexit gesetzt. Das Britische Pfund war sowohl gegenüber dem US-Dollar als auch gegenüber dem Euro im Aufwind. Warum lagen so viele Experten so weit daneben? Vielleicht wurde vielen Londonern (auch den Buchmachern) jetzt erst klar, dass es auch ein England außerhalb der Hauptstadt gibt. Dort wurde für den Brexit gestimmt. Nun ist die Aufregung groß und der politische Widerstand gegen den Brexit wächst.

Aber eine Volksabstimmung lässt sich nicht so einfach wiederholen. Sollte bei einer zweiten Abstimmung das Remain-Lager knapp vorne liegen, könnten die Brexitianer ja dasselbe anstreben. Nichts genaues weiß man nicht, eine monatelange Hängepartie ist möglich, sogar wahrscheinlich.

Klar ist nur eines: Das Ganze mündet ins Chaos und ist eine Bankrotterklärung der politischen Klasse in England. Ich sage bewusst England, denn bald könnten die Schotten für die Unabhängigkeit und den Verbleib in der EU stimmen. Es ist wie immer: Die Märkte hassen Unsicherheit und der Absturz des Britischen Pfunds hat vor allem damit zu tun, weniger mit den noch völlig unklaren wirtschaftlichen Folgen des Brexit

Britsches Pfund fällt zum Dollar auf den tiefsten Stand seit 1985

Vor dem Brexit-Referendum ist der Wechselkurs des Pfunds zum US-Dollar GBP/USD noch auf ein neues Jahreshoch gestiegen. Umso heftiger fiel der anschließende Kurssturz aus: GBP/USD ist um satte 15 Cents auf unter 1,35 USD und damit auf den tiefsten Stand seit 1985 gefallen. Ein Absturz von historischem Tempo. Da der Euro gegenüber dem US-Dollar und anderen Währungen ebenfalls nachgab, fiel der Einbruch des Pfunds gegenüber dem Euro (EUR/GBP) weniger stark aus.

Die schlagartige Rückkehr der Risikoaversion an die Märkte führte zu den bekannten Reflexen: Nicht nur die Börsen brachen ein, auch die Währungen der meisten Emerging Markets (Schwellenländer) gerieten unter Druck. Staatsanleihen, Gold und die als sichere Anlagehäfen (Safe-Haven) geltenden Währungen Schweizer Franken und Japanischer Yen schossen nach oben. Auch der US-Dollar legte zu.

Chart & Info
Euro/Britisches Pfund - EUR/GBP
  • Aktueller Kurs
    0,8306 Britische Pfund je Euro
  • Kommentar
    Der Wechselkurs des Euro zum Pfund ist in einem Ruck auf den höchsten Stand seit Anfang 2014 gestiegen. Im Bereich von 0,8350 GBP bis 0,8500 GBP befindet sich aber eine starke charttechnische Widerstandszone.
  • Meine Einschätzung
    kurzfristig seitw langfristig auf

Fazit

sprechblase Kurz und kompakt

Stefan Gulden

Die Kursturbulenzen an den Märkten waren auch deswegen so stark, weil viele kurzfristig orientierte Anleger auf dem falschen Fuß erwischt wurden. Das wird sich wieder einpendeln. Auch das Pfund dürfte sich nach dem ersten Schock stabilisieren. Allerdings verbieten sich meiner Ansicht nach derzeit mittel- oder gar langfristige Positionierungen am Devisenmarkt. Denn das politische Pendel kann schnell in die andere Richtung ausschlagen.

Für Kurzfrist-Trader bieten sich aber wegen der starken Kursbewegungen in solch volatilen Märkten gute Chancen. EUR/GBP steht im Bereich zwischen 0,84 und 0,85 GBP vor einer wichtigen Widerstandszone, die eine weitere Abwertung des Pfunds gegenüber dem Euro vorerst stoppen dürfte. Diese Zone sollten Trader beachten.

Wenig Zeit?
Wertpapier: Britisches Pfund, EUR/GBP, GBP/USD
Themen: Brexit, Risikoaversion, sichere Anlagehäfen