Seit Wochen befindet sich die Volkswagen-Aktie auf einem Höhenflug. Anleger reagierten sehr positiv auf den innovativen Ansatz des Unternehmens in Bezug auf die neuen Elektroauto-Modelle und die geplante Eigenproduktion von Batterien. Nun will sich Konzern-Chef Herbert Diess darauf konzentrieren, den technologischen Vorsprung von Tesla einzuholen und die großen Bewertungsunterschiede etwas zu verringern.
Die deutlich höhere Bewertung von Tesla beruhte auch darauf, dass die Anleger Volkswagen als reinen Autobauer wahrnehmen, während Tesla als innovatives Technologie-Unternehmen bewertet wird. Diese Unterschiede betreffen die gesamte Branche und die Zukunft muss zeigen, ob das gerechtfertigt ist.
Die niedrigere Bewertung ist insofern nicht verwunderlich, da Volkswagen, wie viele andere europäische Autobauer, den Fokus zu lange auf Verbrenner-Modelle legte, obwohl der Trend zur Elektro-Mobilität schon länger besteht. Zudem belastete der Diesel-Skandal, der Handelskrieg mit den USA und schließlich auch die Corona-Krise den Absatz des weltgrößten Automobil-Herstellers.
Zwar bietet VW schon seit einiger Zeit Elektro-Modelle wie den VW e-Golf an, allerdings handelte es sich dabei überwiegend um eine Umrüstung eines als Benziner geplanten Fahrzeugs.
Vielversprechende E-Auto-Strategie
Mit einem Investitionsvolumen von 46 Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren nun aber die Versäumnisse der Vergangenheit aufgeholt werden. VW möchte den Anteil reiner Elektro-Autos am Gesamtabsatz in Europa bis 2030 auf über 70 Prozent steigern.
Nach der Veröffentlichung des ID.3 und ID.4 folgen in den nächsten Jahren mehr als 20 neue rein elektrische Fahrzeuge, vom Kleinwagen bis hin zum SUV. Darüber hinaus möchte Volkswagen unabhängiger von asiatischen Lieferanten werden, weshalb der Konzern nun auf eine eigene Batterie-Produktion setzt, die bis 2030 mit dem Bau von insgesamt sechs verschiedenen Gigafabriken umgesetzt werden soll.
Auch wenn die deutschen Autohersteller zu spät in neue Technologien investiert haben: Ihre Gewinne erzielen sie auch derzeit noch mit den Verbrenner-Modellen, und nicht mit E-Autos. Das gilt auch für Volkswagen, die wie Daimler und BMW in den letzten Quartalen von der starken Nachfrage aus China profitierten.
Zwar dürfte das Wachstum in Ostasien in den nächsten Monaten etwas nachlassen, dafür könnte Volkswagen aber von der Erholung der US-Konjunktur profitieren.
Trotz des Kursanstiegs ist die Aktie nicht zu teuer
Im vergangenen Jahr erzielte der Volkswagen-Konzern einen Umsatz von 222,88 Milliarden Euro und damit knapp 12 Prozent weniger als 2019, der Jahresüberschuss betrug 8,33 Milliarden Euro. Mit einer Marktkapitalisierung von 121,4 Milliarden Euro und einem 2021er KGV von 9,6 ist die Aktie im Branchenvergleich noch recht günstig bewertet. (Daimler-KGV2021e: 11,2, BMW-KGV2021e: 10,3).
Zudem überzeugt auch die stabile Dividendenrendite von aktuell 3,0 Prozent. Die auch dank einer besseren Kostenkontrolle wieder anziehenden Cashflows sorgen für einen Rückgang der zuvor recht hohen Verschuldung und auch die Gewinnschätzungen sind für die kommenden Jahre recht zuversichtlich.
Schon in diesem Jahr sollen Umsatz und Gewinn fast wieder das Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019 erreichen. Der Gewinn je Aktie soll den Prognosen zufolge in den nächsten Jahren um 15 bis 17 Prozent pro Jahr steigen. Neue Nachrichten vom Unternehmen sind diesbezüglich am 6. Mai mit der neuen Quartalsbilanz zu erwarten.
Kennzahlen für die Aktie von Volkswagen Vz. |
WKN / ISIN: |
766403 / DE0007664039 |
Marktkapitalisierung: |
121,39 Mrd. EUR |
KGV 2021e / 2022e: |
9,6 / 8,2 |
Dividendenrendite 2021e: |
3,0% |
Das sagt die Chart-Technik
In den letzten Tagen hat die starke Aufwärtsdynamik bei der VW-Aktie etwas nachgelassen, so dass der Kurs aktuell knapp unter dem Mehrjahreshoch bei 250 Euro konsolidiert. Grundsätzlich ist ein Neueinstieg nach einer solchen Aufwärtsbewegung immer mit einem erhöhten Risiko verbunden.
Ein stärkerer Rücksetzer wäre nach dem steilen Anstieg jedenfalls nicht überraschend, der Zeitpunkt hängt aber auch maßgeblich von der weiteren Gesamtmarkt-Entwicklung ab. Bei einer Korrektur lägen die nächsten Unterstützungen bei 219 Euro und bei 191 Euro.
Ein Ausbruch über die 250 Euro wäre aus charttechnischer Sicht sehr bedeutend, denn auf diesem Chartniveau liegen auch die Hochs aus dem Jahr 2015 und nicht weit davon entfernt das Allzeithoch bei 262,45 Euro. Bei einem Break würde sich daher ein prozyklischer Einstieg anbieten.
Mein Fazit
Die neue Ausrichtung von Volkswagen ist durchaus viel versprechend. Als zyklisches Unternehmen ist VW aber stark von der Nachfrage der Kunden abhängig. Bei einer schwächeren Konjunktur könnten die hochgesetzten Ziele von VW schwierig zu erreichen sein, auch wenn es danach derzeit nicht aussieht. Auch im wichtigen chinesischen Markt, der inzwischen für einen großen Teil der Nachfrage steht, gibt es neben großen Chancen auch Risiken, vor allem politischer Natur.
Zudem herrscht gerade eine gewisse Euphorie in Bezug auf die Elektro-Mobilität, die eben auch mitverantwortlich für den steilen Kursanstieg war. Es bleibt abzuwarten, ob VW den technologischen Vorsprung von Tesla aufholt und zukünftiger Weltmarktführer bei Elektro-Autos wird.
Wer an den Erfolg der Wolfsburger glaubt, findet im VW-Papier eine attraktive Aktie, die bei den entsprechenden Chart-Signalen (siehe oben) durchaus den Weg ins Depot finden kann.
(Autor: Julian Ziegler) |