Die 150-jährige Geschichte der Deutschen Bank kennt viele Hochs und Tiefs. Noch Anfang der 1990er Jahre galt das Bankhaus als führend in der gesamten Branche und sehr stabil. Davon ist derzeit nur sehr wenig übrig geblieben, nachdem die Finanzkrise, Covid-19, die zementierten Niedrigzinsen und zahlreiche Skandale die Bank an den Rand des Abgrunds führten.
Erst jüngst gab es wieder einmal Meldungen, die Schlimmes befürchten lassen: Die aus dem US-Finanzministerium geleakten sogenannten FinCen-Files, in denen es um riskante Geschäfte der Bankenwelt mit der Mafia, Oligarchen und Millionenbetrügern geht. Verwickelt sind offenbar viele Banken, darunter auch die Deutsche Bank.
Dass einen das nicht überrascht, ist schon konsternierend genug. Die Vorwürfe gegen die Deutsche Bank betreffen den Tatbestand der Geldwäsche. Die Bank reagierte zwar umgehend und wies darauf hin, dass es sich um zurückliegende Vorfälle handele, der Aktienkurs fiel am Tag der Veröffentlichung (21.09.) dennoch um rund acht Prozent.
Offenbar hatten auch hier wieder einmal die internen Sicherheitssysteme der Bank versagt – ein nicht gerade vertrauenserweckender Tatbestand.
Konzern-Umbau dauert an
Für Bank-Chef Christian Sewing kommen die Enthüllungen zur Unzeit. Gerade erst sah sich die Bank auf dem Wege der Besserung, vor allem dank der harten, von Sewing eingeleiteten Maßnahmen. Vom chancenträchtigen, aber auch riskanten Investment-Banking hat sich die Bank verabschiedet, Filialen werden geschlossen, Personal und Kosten eingespart.
Erst kürzlich tickerte die Meldung herein, dass die Bank jede fünfte Filiale von insgesamt rund 500 schließen wird. Dies solle so schnell wie möglich geschehen, so Privatkunden-Chef Philipp Gossow. Weiter ausgebaut werden soll dafür die Beratung der Kunden per Telefon und Video.
Um bei Video-Konferenzen auch Finanzprodukte abschließen zu können, sind allerdings weitere Investitionen in die Technik notwendig. Die Deutsche Bank fügt sich damit allerdings nur in das Unvermeidliche. Der Erfolg der Online-Banken ist ja kein neues Phänomen und wurde auch nicht durch Covid-19 ausgelöst.
Freilich verstärkt die Corona-Pandemie diesen Trend, denn auch Kunden, die früher in die Filiale kamen, setzen nun häufiger auf Onlinekanäle. Banken, die schon früher Technik-affin waren, sind daher heute im Vorteil. Wer erst die Infrastruktur aufbauen muss, gerät wie die Deutsche Bank ins Hintertreffen.
Bleibt die Deutsche Bank selbstständig?
Vor diesem Hintergrund ist auch die gerade anlaufende Konsolidierungswelle in der europäischen Bankenwelt zu betrachten. In Deutschland scheiterte zwar der Versuch eines Zusammengehens von Commerzbank und Deutscher Bank, in Spanien gelang dagegen die Fusion von Caixabank und Bankia, die einen Marktführer bilden wollen.
In der Schweiz gab es erst Spekulationen über eine Hochzeit von UBS und Credit Suisse. Als die Nachrichten-Agentur Bloomberg dann berichtete, die UBS denke auch über internationale Zusammenschlüsse nach und auf der Wunschliste von UBS-Chef Weber stünde neben der französischen BNP Paribas auch die Deutsche Bank, bekamen die Spekulationen eine neue Wendung.
Deutsche Bank-Chef Sewing befürwortet zwar prinzipiell Zusammenschlüsse, die Deutsche Bank soll dabei aber nicht der Junior-Partner sein. Angesichts des geschrumpften Börsenwerts der Bank ist dies allerdings nicht viel mehr als Wunschdenken, denn die UBS wird an der Börse mehr als doppelt so hoch bewertet wie die Deutsche Bank.
Noch krasser ist der Unterschied zur BNP Paribas, die nochmals ein paar Milliarden mehr Marktkapitalisierung auf die Waagschale bringt. Für die Deutsche Bank kommt die Konsolidierungswelle daher zu früh, die Selbstständigkeit ist also nicht mehr selbstverständlich.
Nüchtern betrachtet könnte nur die Politik verhindern, dass die Deutsche Bank beispielsweise von Zürich aus geführt wird. Kleines Bonmot am Rande: Stimmen die Berichte, dann hat es die Commerzbank nicht einmal mehr auf die Wunschliste von UBS-Chef Weber geschafft. Während die Deutsche Bank noch ein kleines bisschen Bedeutung hat, ist für die Commerzbank der Zug abgefahren.
Kennzahlen für die Aktie der Deutschen Bank |
WKN / ISIN: |
514000 / DE0005140008 |
Marktkapitalisierung: |
14,19 Mrd. EUR |
KGV 2020e / 2021e: |
negativ / 24,6 |
Dividendenrendite 2020e: |
0,1% |
Das sagt die Chart-Technik
Nachdem sich die Aktie der Deutschen Bank nach dem Corona-Crash im März gut und überraschend schnell erholen konnte, gab es berechtigte Hoffnungen, dass die Widerstandszone zwischen 8,00 und 8,20 Euro nach oben durchbrochen werden könnte.
Aufgrund des Rückfalls wegen der FinCen-Files (siehe oben) haben sich diese Hoffnungen allerdings zerschlagen. Die Aktie ist damit in die Mitte ihres sehr breiten Seitwärtstrendkanals zwischen 5,80 und 8,00 Euro zurückgefallen. Kurzfristig scheint es, als stehen die Zeichen weiterhin auf Korrektur, solange der Widerstand bei 7,15 Euro nicht wieder überschritten wird.
Mein Fazit
Konzern-Chef Sewing hat die Dinge zwar angepackt, ein wirklicher Befreiungsschlag ist der Deutschen Bank aber nicht gelungen. Der Konzern-Umbau wird noch lange dauern, insbesondere die IT-Systeme müssen modernisiert werden. Ob die Zeit dafür ausreicht, die Bank wieder auf feste Füße zu stellen, bleibt abzuwarten.
Immerhin ist die Deutsche Bank offenbar für Branchen-Kollegen als mögliches Übernahmeziel noch interessant – das ist die gute Nachricht im eigentlich schlechten Gesamtszenario.
Wer in die Banken-Branche längerfristig investieren möchte, ist bei der Deutschen Bank daher nicht an der richtigen Stelle, zumal die Aktie kurzfristig weiter korrekturgefährdet ist und es in der Branche weit attraktivere Player gibt.
Im Bereich von 6 Euro könnte es sich für hartgesottene Spekulanten dagegen lohnen, sich ein paar Stücke als Beimischung ins Depot zu legen – freilich mit konsequenter Stopp-Loss-Absicherung.
(Autor: Stefan Böhm) |