IPO-Renaissance? – Warum Anleger jetzt genauer hinschauen sollten...
Gibt es bald wieder mehr Börsengänge?

(Lars Erichsen) Was waren das für Zeiten, als in Deutschland Börsen-Neulinge wie die Deutsche Telekom, Infineon oder auch Zalando – heute allesamt etablierte DAX-Unternehmen – mit ihren Börsengängen Schlagzeilen machten und auch für eine neue Aufbruchstimmung am deutschen Kapitalmarkt sorgten. Von solchen Zeiten sind wir derzeit weit entfernt.
Im letzten Jahr gab es in Deutschland gerade mal vier Börsengänge von Douglas, Renk, Springer Nature und BigRep – allesamt kleine IPOs (= Börsengänge) mit einem Gesamtemissionsvolumen von ca. 1,5 Mrd. Euro. 2025 gibt es mit dem schwäbischen Hersteller von Hochspannungs-Komponenten Pfisterer bislang gerade mal einen Börsengang, mit dem Münchener Software-Konzern Innoscripta hat ein zweites Unternehmen seinen Börsengang soeben eingeleitet.
Experten prognostizieren für das Gesamtjahr 2025 zwischen 5 und 10 IPOs in Deutschland, nur eine leichte Steigerung gegenüber dem mageren IPO-Jahr 2024, aber immerhin eine Belebung. Analysten sehen in Deutschland jedoch ein Potenzial von bis zu 40 Börsengängen pro Jahr.
Auch im restlichen Europa blieb das Börsengang-Thermometer zuletzt meist im unterkühlten Bereich. Mit Puig Brands gab es in diesem Mai in Spanien zwar den bislang größten Börsengang 2025 mit einem Emissionsvolumen von 2,74 Mrd. Euro. Andere große Börsengänge wurden jedoch abgesagt bzw. auf unbestimmte Zeit verschoben, so z.B. vom deutsch-französischen Rüstungs-Konzern KNDS, der portugiesischen Nova Banco und dem spanischen Telekom-Konzern MasOrange. Man kann das auch positiv sehen, es gibt eine Pipeline potenzieller Kandidaten.
Aktiver US-IPO-Markt
Was für ein Unterschied zum US-Markt, wo bis zum 15. Mai bereits 123 Börsengänge verzeichnet wurden, was einem Anstieg von 70 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Aktien- und Krypto-Handelsplattform eToro feierte in der letzten Woche einen gelungenen Börsengang, der erste Kurs lag 30 Prozent über dem Ausgabepreis. Mit Hinge Health, Chime, Medline Industries, Netskope oder dem schwedischen Fintech Klarna stehen eine ganze Reihe weiterer IPO-Kandidaten Schlange.
Die an die Börse strebenden Unternehmen kommen insbesondere aus den Bereichen Technologie, Fintech und Gesundheitswesen. Die Gründe für die Attraktivität des US-Marktes sind schnell gefunden: Eine historisch gewachsene Kombination aus strukturellen, wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren, die den Zugang zu Kapital erleichtern und Wachstums-Chancen fördern:
1. Größeres Kapitalangebot und höhere Bewertungen
2. Flexiblere regulatorische Anforderungen
3. Ausgeprägte Aktienkultur und Investorenbasis
4. Innovationsfreundliches Umfeld
5. Steuerliche und rechtliche Vorteile
Kurz gesagt: Für Unternehmen, die international wachsen und Kapital aufnehmen möchten, bietet der US-Markt nach wie vor bessere Voraussetzungen als die europäischen Märkte, wie die Börsengänge europäischer Unternehmen in den USA – man denke nur an BioNTech aus Mainz – immer wieder offenbaren.
Mein Fazit
Der US-Kapitalmarkt ist für Unternehmen, die an die Börse streben, immer noch die erste Wahl. Daran dürfte sich so schnell nichts ändern, denn der Kapitalmarkt in Europa ist trotz Binnenmarkt immer noch nicht mit dem US-Markt zu vergleichen. Mit der starken Fragmentierung, unterschiedlichen nationalen Regelungen und der geringen Risikobereitschaft bremst sich Europa sozusagen selbst aus.
Das heißt aber nicht, dass in Europa keine interessanten Börsengänge stattfinden würden, wie in den letzten Jahren TeamViewer, Traton, Siemens Energy und Renk zeigten. Für meinen Teil werde ich daher auch den deutschen IPO-Markt weiter im Auge behalten, auch wenn sich dort leider noch nicht so viel tut, wie man es von einem Land wie Deutschland eigentlich erwarten könnte.
Bildquellen: © stock.adobe.com - Generiert mit KI - Nr.1351024695