A-ZBöhms Börsenlexikon
Lars Erichsen
Team Böhms-DAX-StrategieWas ist der Buchwert?
Das wichtigste Kriterium zur Bewertung von Aktien an der Börse ist der Gewinn des jeweiligen Unternehmens, als Basis von Kennzahlen wie z. B. dem KGV. Aktien von Unternehmen, die einen hohen Gewinn erzielen, besonders produktiv sind oder eine starke Wachstumsdynamik aufweisen, werden an der Börse höher bewertet.
Doch was ist, wenn die Unternehmen keinen Gewinn erzielen oder wenn die Aussichten für das Unternehmen oder für die Wirtschaft insgesamt sehr trüb sind? Dann taugt der Gewinn als Größe zur Bewertung von Aktien kaum noch. Gerade nach starken Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten wie z. B. 2001 und 2008 oder auch während gesamtwirtschaftlicher Rezessionen rückt verstärkt die Frage in den Mittelpunkt: Wie hoch ist die Substanz des Unternehmens? Und: Liegt der Kurs der Aktie unter dem Substanzwert und ist die Aktie damit kaufenswert?
Der Buchwert ist eine Maßzahl für die Substanz eines Unternehmens. Doch was ist die Substanz?
Definition: Substanzwert
Der Substanzwert entspricht der Summe aller Vermögensgegenstände (Aktiva) eines Unternehmens bewertet zu Marktpreisen und verringert um die Schulden. Es ist der Preis, den ein potenzieller Käufer zu zahlen bereit wäre, wenn er das Unternehmen zerschlagen und die Aktiva (Immobilien, Maschinen, Patente etc.) einzeln veräußern würde. Das bedeutet aber auch, dass dem Unternehmen als solches in dem Fall kein eigener Wert, kein Unternehmenswert (auch „Goodwill“ genannt), zugebilligt wird. Im Normalfall besitzt ein Unternehmen jedoch das Potenzial Gewinne zu erzielen und eine Rendite auf das Eigenkapital zu erwirtschaften. Der Wert eines Unternehmens ist daher in der Regel höher als der seiner Einzelteile.
Wenn ein Unternehmen ein anderes kauft, wird es zumeist einen Preis zahlen, der über dem Buchwert bzw. dem Eigenkapital liegt. Nach einem solchen Kauf wird in der Bilanz des zusammengefassten (konsolidierten) Unternehmens der den Buchwert (also die Summe der Aktiva) übersteigende Kaufpreis als Goodwill („Unternehmenswert“) bilanziert.
Was sind die Tücken beim Buchwert?
Grob gesprochen entspricht der Buchwert in etwa dem Eigenkapital eines Unternehmens. Das scheint einfach. Doch tatsächlich ist der Buchwert nur eine Näherungsgröße für den Substanzwert eines Unternehmens. So kann das Unternehmen zum Beispiel über nicht bilanzierte Aktiva wie einen bekannten Firmen- oder Produktnamen verfügen, der im Falle einer Zerschlagung auch separat verkauft werden könnte.
Darüber hinaus müssen die bilanzierten Werte nicht den Marktpreisen entsprechen. So können Vorräte im Falle einer Zerschlagung weit weniger erlösen, als sie an Wert in der Bilanz darstellen. Sie sehen schon: Zur Ermittlung des echten Substanzwertes einer Unternehmung ist daher immer eine detaillierte Analyse nötig. Es ist daher kein Wunder, dass Verhandlungen bei der Übernahme von Unternehmen so lange dauern und die Preisvorstellungen häufig stark auseinander gehen.
Wenn Sie den Buchwert durch die Anzahl der Aktien dividieren, dann erhalten Sie den Buchwert je Aktie (analog zum Gewinn je Aktie). Der Aktienkurs dividiert durch den Buchwert je Aktie ergibt dann das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV).
Berechnung des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (KBV)
KBV = akt. Kurs / Buchwert je Aktie
Im Gegensatz zu Aktienkennzahlen wie dem KGV oder dem Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCF) ist das KBV keine Maßzahl für die Ertragskraft des Unternehmens, sondern für dessen Substanzwert. Niedriger als der Buchwert je Aktie dürfte eine Aktie eigentlich nicht notieren, denn dann würde es sich ja lohnen, das Unternehmen zu kaufen, zu zerschlagen und die Einzelteile zu veräußern. Daher gilt der Buchwert je Aktie häufig als der „Mindestpreis“ für die Aktien eines Unternehmens, bzw. als Preisuntergrenze.
Auf das Kurs-Buchwert-Verhältnis bezogen heißt dies: Liegt das KBV unter 1,0, dann wird das Unternehmen an der Börse niedriger bewertet als sein Buchwert. Die einfache Schlussfolgerung: Eine Aktie mit einem KBV unter 1,0 ist kaufenswert. Doch Sie ahnen es schon: So einfach ist es leider nicht.
Warum ist der Buchwert je Aktie keine Untergrenze für den Aktienkurs?
Es kann durchaus vorkommen, dass der Aktienkurs eines Unternehmens an der Börse unter den Buchwert je Aktie fällt (das KBV unter 1,0 liegt). Und zwar nicht nur kurzzeitig, sondern auch auf längere Sicht. Als „absolutes Kaufkriterium“ in dem Sinn: „Kurs fällt unter Buchwert je Aktie, also kaufen“, taugt diese Kennzahl – leider – nicht. Der Buchwert je Aktie kann daher nicht einfach als Preisuntergrenze für den Aktienkurs genommen werden.
Das liegt vor allem an den Problemen bei der Bewertung der Aktiva. Möglicherweise sind manche Vermögensgegenstände nicht in der Bilanz erfasst, andere sind nicht zu Marktpreisen bewertet und wieder andere sind eigentlich nichts mehr wert. So notierten z. B. die Bankenaktien nach der Finanzkrise 2008 über Jahre hinweg unter dem Buchwert je Aktie, da viele der in der Bilanz stehenden Vermögenswerte (z. B. Anleihen) am Markt tatsächlich nichts mehr wert waren.
Zudem sahen viele Anleger das Risiko weiterer Kursverluste aufgrund einer erneuten Verschärfung der Finanzkrise, weshalb sie trotz des niedrigen Kurs-Buchwert-Verhältnisses die Aktien nicht kauften. Auch gibt es Branchen wie z. B. Versicherungen, Handel oder Versorger, die traditionell ein niedriges KBV aufweisen, während andere Branchen wie z. B. Internet, Halbleiter oder Software eher hohe KBVs besitzen. Sie sehen also: Wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis eignet sich auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis vor allem für den Vergleich von Aktien aus derselben Branche.
Böhms Praxistipp
Ziehen Sie trotz ihrer Schwächen die Kennzahl Kurs-Buchwert-Verhältnis bei Ihren Anlageentscheidungen zu Rate. Gerade nach starken Kursrückgängen und in Krisenzeiten können Sie anhand des Kurs-Buchwert-Verhältnisses günstige Aktien herausfiltern.
Hegen Sie jedoch ein gesundes Misstrauen gegen den in der Bilanz ausgewiesenen Buchwert, außerordentliche Abschreibungen z. B. können diesen schnell verringern. Sammeln Sie inbesondere bei Aktien mit sehr niedrigem Kurs-Buchwert-Verhältnis mehr Informationen zum Unternehmen, um den Grund der niedrigen Bewertung herauszufinden.
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